Sonntag, 24. Mai 2015

Videoex 2015

Kunstraum Walcheturm, Zürich
walcheturm.ch

23:00

Anna Trauffer (Kontrabass, Stimme, Theremin), Philipp Schaufelberger (Gitarre, Schlagzeug, Perkussion)

Portugals Stummfilm-Avantgarde

An der Videoex präsentiert das Institut zwei portugiesische Stummfilme, die von der Ästhetik der französischen, deutschen und russischen Avantgarde ausgehend auf der Suche nach einer eigenen Filmsprache sind. Bereits bevor sich die portugiesische Filmindustrie in den 1930er Jahren zu entwickeln begann, taten sich zwei junge Regisseure hervor, indem sie an die internationale Avantgarde anknüpften. Namentlich waren dies der erst kürzlich verstorbene Manoel de Oliveira (1908-2015) sowie sein zwei Jahre jüngerer Landsmann Jorge Brum do Canto (1910-1994).


Douro, Faina Fluvial (Portugal 1931, 19 min), Manoel de Oliveira

Mit seinem ersten Film „Douro, Faina Fluvial“ legte Manoel de Oliveira im Alter von 22 Jahren den Grundstein für seine an Facettenreichtum kaum überbietbare 80-jährige Karriere als Regisseur. Am 2. April 2015 verstarb der Grandseigneur des portugiesischen Kinos im Alter von 106 Jahren. Oliveiras Erstling „Douro“ steht ganz in der Tradition der Städtesymphonie, eines halbdokumentarischen Genres, das in der Stummfilmzeit mit Filmen wie „Rien que les heures“ (Frankreich 1926), „Berlin - Die Symphonie der Groẞstadt“ (Deutschland 1927) und „Man with a Movie Camera“ (UdSSR 1929) eine kurze, aber intensive Blütezeit erlebte. Der Film stellt ein Portrait seiner Heimatstadt Porto und des täglichen Lebens dar, das sich entlang des Flusses Douro abspielt. Das rasante Wechselspiel der Einstellungen sowie die Montagetechnik übernimmt er von seinen Vorbildern. Anders als diese zielt er aber weniger darauf ab, das Entfremdende und Mechanische des Grossstadtlebens aufzudecken, sondern versucht gerade das Menschliche des Arbeitsalltags hervorzuheben.


A Dança dos Paroxismos (Portugal 1929, 45 min), Jorge Brum do Canto

Bereits im Vorspann spannt der erst 19-jährige Brum do Canto das künstlerische Koordinatensystem auf, innerhalb dessen sich dieser visuelle Essay („Ensaio visual“) bewegt. Selbst verantwortlich für Drehbuch, Regie, Schnitt sowie die Rolle des Hauptdarstellers dient Brum do Canto das Gedicht des Parnassiens Leconte de Lisle „Les elfes“ als Inspirationsquelle und literarische Grundlage. Wie in diesem und anders als in „Douro“ spielt das Filmgedicht nicht an einem historischen, konkreten Ort, sondern in einer mythischen Welt der Verzauberungen und Fetische („encantamentos e feitiços“). Gewidmet ist der Film wiederum Marcel L’Herbier, dem Regisseur von „El Dorado“ (Frankreich 1921) und „Feu Mathias Pascal“ (Frankreich 1925). Mit diesem teilt Brum do Canto die Vorliebe für extravagante Kameraperspektiven, Doppel- und Dreifachbelichtungen sowie kaleidoskopische Split-Screen-Techniken. „Der Tanz der Einfälle“, so der Titel auf deutsch, ist inhaltlich und formal Programm. Im Modus einer konstanten rhythmischen Beschleunigung und visuellen Engführung führt der Film unweigerlich ins Verderben des Protagonisten im Elfenland.

Live-Vertonungen von Anna Trauffer & Philipp Schaufelberger

Die Kontrabassistin und Sängerin Anna Trauffer und der Gitarrist Philipp Schaufelberger sind im Umfeld der Neuen Musik und Improvisation tätig, insbesondere auch im und für das Theater. Die Vertonung der beiden portugischen Stummfilme nehmen sie nun in der Form eines multistilistischen kleinorchestralen Assoziierens in Angriff. Freie Flächen können dabei in Songs oder Bestandteile davon übergehen, aber auch tüchtige Beats überraschend sanft in eine barocke Passacaglia münden.